Ausarbeitung von Universitätsprofessor Dr. Dr. h.c. Ludwig Kotter, München für die GAD

Menschen und Tiere können durch eine Infektion mit Listeria monocytogenes (L. m.) an Listeriose erkranken. Die Erkrankung verläuft als Septikämie, gelegentlich als Meningitis, und bei Schwangeren verursacht sie vorzeitige Wehen und Aborte. Von den Menschen sind Kinder sowie kranke und ältere Personen besonders gefährdet.

Listeria monocytogenes ist in der Natur weit verbreitet; man findet diesen Keim im Erdboden, in Oberflächengewässern, auf Pflanzen, in Silage und Abwässern, aber auch im Darmtrakt von Menschen und Tieren, die keine Krankheitssymptome zeigen. In Salaten, rohen Gemüsen, roher Milch, in der Schmiere von Weichkäsen, in frischen rohen Mettwürsten und in Hackfleisch ist stets mit Listeria monocytogenes zu rechnen.

Listeria monocytogenes ist psychrophil, d. h. kältetolerant, und kann sich deshalb in der unbelebten Umwelt von Mensch und Tier auch bei kühlen Temperaturen vermehren. Lange Kühllagerung von Lebensmitteln, die Listerien enthalten können, ist deshalb bereits ein Risiko. Das Milieu feuchter Kühlschränke und Kühlanlagen, besonders solcher mit schlecht zu desinfizierenden und feuchtigkeitsaufsaugenden Materialien, begünstigt die Vermehrung von Listeria monocytogenes ausgesprochen selektiv. Damit ist auch der Umstand zu erklären, daß in wenigen Tagen alten, gekühlt aufbewahrten frischen Mettwürsten höhere Gehalte an Listerien gefunden werden als in Hackfleisch, das nach bestehenden Vorschriften nur am Tage der Herstellung in den Verkehr gegeben werden darf.

Leider fehlt noch immer die ausdrückliche Verpflichtung auf die Notwendigkeit hinzuweisen, Hackfleisch am Tage des Kaufs zu verwenden oder keimhemmend bzw. keimtötend zu versorgen, und den Verbraucher zu belehren, Kinder sowie kranke und alte Menschen kein rohes Hackfleisch verzehren zu lassen. Die Empfehlung von Bundesbehörden, diesen Personenkreis von einem Verzehr von rohem Hackfleisch auszuschließen, sollte ernst genommen werden. Der Hinweis auf die Notwendigkeit der sofortigen Versorgung des gewolften Fleisches gilt auch für Restaurantküchen!

In tiefgefrorenen Lebensmitteln können sich Listerien nicht vermehren; erst nach dem Auftauen werden sie wieder aktiv. Bei gesicherter Kerntemperatur von 70° C wird Listeria monocytogenes abgetötet, die Gefahr einer Rekontamination mit Listeria monocytogenes ist jedoch sehr groß, weshalb bei der Vorverpackung von z. B. aufgeschnittenem Kochschinken oder aufgeschnittener Brühwurst besondere Sorgfalt geboten ist (Aufschnittmaschinen sind besonders zu beachten!). Wenn Lebensmittel gelagert werden sollen, die Listerien enthalten können und vor dem Verzehr nicht gesichert listerienabtötend behandelt werden, ist es für Gewerbetreibende und Verbraucher am sichersten, diese nicht gekühlt, sondern eingefroren zu lagern oder - wenn die Lagerung a priori vorgesehen war - gleich tiefgekühlte Ware zu kaufen.

Die gelegentliche pauschale Darstellung, wonach tiefgefrorene Lebensmittel nicht frisch seien, ist zu kurz bedacht. Viele Lebensmittel sind tiefgefroren frischer als vermeintlich frische; extrem gilt dies für Seefische, die auf See filetiert und eingefroren und nicht zwei bis drei Wochen an Bord mit Eis gekühlt werden. Auf jeden Fall sind tiefgekühlte Lebensmittel sicherer als die nur gekühlten. Für unbehandeltes Fleisch und nicht haltbar gemachte Fleisch-Erzeugnisse ist bei uns kühles Bereithalten und kühle Lagerung längst vorgeschrieben. Analoges gilt für den Milchsektor.

Das Vorkommen von Listeria monocytogenes macht die oft perfektionistisch erscheinenden Hygienevorschriften besonder verständlich. Von den Menschen der Industriestaaten haben etwa 5% Listerien in ihrer Darmflora, ohne daß sie Krankheitssymptome zeigen. Bei Personen, die beruflich Kontakt mit Tieren haben, ist das vorkommen von Listeria monocytogenes noch häufiger; z. B. hatten 29% der beschäftigten einer Geflügelschlachtstätte Listeria monocytogenes im Darm. Damit wird deutlich, daß es bei der gebotenen Hygiene nicht nur auf Reinigung und Desinfektion ankommt, sondern auch auf Personal-, Umfeld- und Produkthygiene.

Bei uns sind Listeriosen bisher nur sporadisch vorgekommen. Es sind jedoch ausgesprochene Epidemien möglich. Aus Kanada, USA und der Schweiz ist darüber berichtet worden, der Verzehr von Krautsalat sowie von Milch und verschiedene Weichkäsesorten, vor allem Weichkäse mit Schmiere sollen die Listerienquellen gewesen sein.

Als Lebensmittel, in denen Listeria monocytogenes besonders häufig vorkommt, sind bei uns inzwischen vor allem rohes Hackfleisch, Schmiere von Weichkäse und rohes Gemüse ermittelt worden.

In fleischverarbeitenden Betrieben sind Listerienfunde (in Lebensmitteln, in Räumen und beim Personal) nicht völlig auszuschließen. Aber es muß das real Mögliche getan werden, um das Vorkommen dieser Keime niedrig zu halten. Vor mehr als drei Jahrzehnten habe ich bezüglich der Salmonellen die reale Forderung formuliert, daß wir lernen müßten, „mit Salmonellen zu lebe". Genau das Gleiche gilt für Listerien. Das Hauptproblem besteht allerdings darin, daß bei uns viele Tiere wegen der Schließung kleiner Schlachtstätten und wegen des überwiegenden Zukaufs von nicht selbst erschlachtetem Fleisch weite Strecken zu den Zentralschlachthöfen transportiert werden und dabei starken Streß erleiden, der zum Zusammenbruch der Darmschranke führt.

Normal sind die Rezeptoren in der Darmwand von Keimen besetzt, die zur „gesunden" Darmflora gehören. Bei starkem Streß geben diese Keime jedoch die Eintrittspforten frei, so daß „Gesindel", das sich zufällig im Darm befindet (Salmonellen, Listerien usw.), in den Körper eindringen kann.

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